Dort saß sie nun, immer noch völlig ohne Antworten. Um sie herum herrschte reinstes Chaos.
Überall lagen Bücher, und Papier schmückte den Boden. Sie lehnte an einigen geschlossenen Schubladen. Es war ein großer runder Raum. Er hatte zwei Türen die sich gegenüber lagen. Die Wände bestanden aus Schränken, größtenteils Schubladen. Sie reichten ungefähr 5 Meter in die Höhe. Es gab auch Schattige Bereiche in diesem Raum. Logisch gesehen, war das kaum möglich, doch in diesem Raum war so einiges möglich.
Eigentlich sollte es aufgeräumt, übersichtlich und ordentlich sein. Aber das war es nicht. Zu dem Chaos auf dem Boden kamen noch unzählige geöffnete Schubladen und Schranktüren. Wer hier etwas finden wollte, hatte etwas zu tun.
Sie hatte diese Unordnung verursacht. Schon eine Ewigkeit suchte sie nach etwas in diesem Raum, aber fand nichts. Sie wusste noch nicht einmal, wo nach sie suchte, aber sie wollte es finden.
Eine der Türen öffnete sich. Sie hob den Kopf und erblickte ihr Ebenbild. Es gab kleine Unterschiede, die wahrscheinlich nur die Beiden wahrnehmen konnten. Der „größte“ lag in ihrem Blick. Außerdem war diejenige, die in der Tür stand, etwas blasser. Ihr Gang war aufrechter, da sie etwas Selbstbewusster war. Jedoch gab es in letzter Zeit ein Paar Veränderungen. Diejenige, die das Chaos verursacht hatte, und nun verzweifelt auf dem Boden saß, schien schwächer zu werden.
„Du hier?“ fragte sie trocken. „Klar, ich wollte mal nach dir sehen.“ antwortete die andere, langsam in den Raum tretend und schaute sich um. „Schön hier.“
Ein trockenes, kaltes Lachen hallte durch den Raum. „Du nach mir sehen? Du interessierst dich für gewöhnlich kein Stück für mich.“
Die blassere der beiden ließ sich Zeit mit ihrer Antwort, und durchschritt weiter den Raum, bedacht darauf auf nichts zu treten, was ihr sehr elegant gelang. Schritt für Schritt verschwand sie in einem der Schatten. „Da liegst du sehr richtig. Doch leider, wie traurig es auch ist, bin ich ein kleines bisschen abhängig von dir und kann es nicht zulassen das du irgendwelche Dummheiten anstellst. Klar, seit wir uns kennen will ich dich klein kriegen, dich vernichten. Aber es ist noch nicht soweit. Und ich will nicht, dass du uns alle auf einmal zerstörst. Das kann ich nicht zu lassen.
Noch bist du die Stärkste, aber du wirst schwächer, das spüre ich. Den Richtigen Augenblick, den darf ich nicht verpassen. Wirst du zu Schwach, wirst du Dummes tun. Das will ich zu verhindern wissen… wenn der richtige Augenblick gekommen ist wirst du tun was ich will. Und genau deswegen bin ich hier.“
Langsam trat sie wieder aus dem Schatten. „Ich beobachte dich…“ Ihr Blick lief der anderen kalt über den Rücken. Das alles wusste sie bereits. Und ebenso wusste sie, dass sie tatsächlich gefährlich schwach wurde. Mit aller Macht kämpfte sie dagegen an. Nicht nur für sich selbst, auch für die anderen. Die Macht abzugeben, das war gefährlich. Und doch hatte sie kaum noch Kraft. Sie brauchte endlich Antworten. Und sie war so verzweifelt das sie manipulierbar war.
„Ich bin nicht so schwach, wie du denkst.“ Sie wandte ihren Blick ab. „Damit hast du gerade das Gegenteil bewiesen“ sagte die andere wieder und grinste, während sie weiter auf sie zu lief. „Ich weiß wo nach du suchst. Ich will es auch. Wir alle wollen es. Ich kenne die Antwort. Wieso durchsuchst du all diese Schubladen, wieso verursachst du so eine Unordnung, wenn wir doch beide die Antwort wissen? Der einzige Unterschied ist, das du sie nicht wahrhaben willst. Du suchst nach einer anderen Antwort.“
Langsam kniete sie sich vor ihr Ebenbild und blickte ihr fest in die Augen. „Du wirst keine andere Antwort finden. Entweder du führst weiter dieses sinnlose Leben, oder du siehst es endlich ein!“ Amüsiert beobachtete sie wie ihre Gegenüber ihren Kopf wieder senkte. Sie spürte ihre Verzweiflung und ihre Schwäche. „Ich kann dir helfen. Das weißt du. Mir macht das nichts.“ „Ich weiß überhaupt nichts!“ schrie die Andere. Im nächsten Moment bereute sie ihre Reaktion. Es bewies ihre Verzweiflung. Sie war fast geneigt das Angebot anzunehmen. „Wir müssen alles aufgeben, mh? Ich muss bereit sein, alles aufzugeben…“ „Ja, und ich kann dir helfen.“ antwortete die Blassere wieder, sehr erfreut über den plötzliche Sinneswandel.
Bald war es so weit, endlich würden sie alle bekommen wonach sie sich sehnten. Ihre Träume würden sich alle erfüllen. Darauf warteten sie alle schon ein Leben lang. „Versteh doch, wie einfach es ist. Ständig suchst du nach der Lösung, ohne Pause durchwühlst du diese Schubladen, verlierst Stück für Stück an Kraft, dabei ist es so einfach. Was besitzt du denn schon? Das bisschen kannst du doch aufgeben.“ „Meine Freunde… Meine Familie!“ Schmerz wurde in ihren Augen sichtbar. Die Blassere biss sich auf die Lippen. Das war schlecht. Sehr schlecht. „Hey… Vielleicht…Nein… Du wirst es verkraften, Sie werden es vergessen. Sie werden wunderbar klarkommen ohne dich. Du musst dieses Band zerschneiden. Sonst wirst du nicht glücklich. Ich sehe dir an, wie dir das weh tut. Aber du schaffst das. Wir schaffen das. Ohne Sie sind wir ein wunderbares Team. Und du weißt, ich kann dir deinen Schmerz nehmen.“ Hoffnungsvoll sah sie sie an. Es schien zu wirken. Mehr als je zuvor.
Ihre Gegenüber sah sie auf einmal ganz anders an. „ Du könntest… du könntest tatsächlich Recht haben. Ich spüre es. Ich glaube ich kann es tatsächlich… Ist es der richtige Weg?“ Irgendwo wusste sie, das es ein Fehler war ihr zu vertrauen. Aber tatsächlich, sie hatte Recht. Es würde keine andere Antwort geben. Sie würden in Verzweiflung leben. Nicht für sich selbst. Und das war der einzige Weg alles zu verändern, die Sehnsucht zu stillen. Während sie sie ansah, Vereinten sich ihre Blicke. Ihr Blick wurde ebenso kalt wie der der Blasseren, die nun zu grinsen begann. „Also, ich frage dich das jetzt und du antwortest ehrlich. Bist du bereit, für unser Ziel, ALLES aufzugeben?“ Fest sahen sie sich an. „Ja, das bin ich.“ Noch ein letztes Mal spürte sie den stechenden Schmerz, und sperrte ihn nun für eine unbestimmte Zeit weg. „Ich bin bereit.“